Beispiele, Vorbilder, Diskussionsgrundlage für eine plattformunabhängige Darstellung von elektronischen Büchern — Vortrag auf dem eBookCamp München 2015
EIN AUSBLICK
Eigentlich lesen wir die meisten digitalen Bücher in Browsern, aber…
If you weren't aware, all eReaders (iBooks, Kindle, Nook, etc.) are actually dumbed down web browsers with reading specific features. Unfortunately, all eReaders do different things with ePubs.Tyler Johnson
Der Branchenstandard für digitale Bücher, eBooks, sind Inhalte und Verzeichnisstruktur in einen Container verpackt. Die technologische Grundlage für das Containerformat ist funktionsbeschnittene Web-Technologie: (X)HTML, CSS, Javascript. Die Lesegeräte für diese Containerformate wiederum spielen die Inhalte über funktionsbeschränkte (und unzuverlässige) Browser aus: Der Branchenstandard ist Ramsch.
Häufig unterschätztes Problem der Abwendung von http
zugunsten von autarken Containern: Es gibt keinen Update-Mechanismus mehr. Dabei ist das HyperTextTransferProtocol der eigentliche Nexus der Webtechnologie. Viele Eigenschaften von HTML, CSS und Javascript ergeben sich aus dem historisch gewachsenen Zusammenspiel mit http
.
Abfallprodukt
Digitale Bücher sind ein Abfallprodukt der Verwertungskette von Print.
Wie konnte es nur so weit kommen?
Warum sich eprdctn-Menschen mit kafkaesken Situationen rund um die ebook-Produktion herumschlagen müssen? Verlage, im Großen und Ganzen, sind gierige Vollidioten
Die big five der englischsprachigen Verlagswelt haben sich Amazon vor Jahren ausgeliefert. In blinder Überschätzung der eigenen Verhandlungsposition und Ignoranz der Technologie und der Marktbedingungen haben sie eine Pfadabhängigkeit für die ganze Branche geschaffen.
Das Prinzip ereading per ebook ist seitdem das etablierte Paradigma. Amazon hat die Einstiegshürde gesenkt, die Verlage sahen nur, dass jemand ihnen die Übertragung ihrer etablierten Geschäftsmodelle in digitale Märkte ermöglichte: Mit künstlicher Verknappung wird digitalen Gütern die Logik der Printverwertungskette übergestülpt; zu Lasten der Funktionalität und Qualität. Das Wertangebot eines Buches reduziert auf die Verbreitungslogistik von Inhalten - und die daran gekoppelte Verwertung.
Jenseits der Normalität
Abkehr vom Ramsch: Es gibt Alternativen zum Modell von HTML in Handschellen
Entscheidend für die folgende Auswahl ist Plattformunabhängigkeit. Native Apps, die als Leseangebot in den jeweiligen Ökosystemen existieren, stellen auch eine Alternative zum ebook dar. Sie stellen ihre Wertschöpfung aber noch konsequenter in den Dienst geschlossener Plattformen und geben dabei ihre Buchhaftigkeit weitgehend auf. HTML überbrückt Plattformgrenzen.
Randnotiz: Containeralternativen
epub/mobi ist ein Containerformat für limitiertes HTML & CSS. Es gibt auch andere Containerlösungen, um in die Ökosysteme der Geräteanbieter hinein zu kommen.
EPUB-Hybriden
Das Eckige ins Runde oder gesunde Pragmatik?
Angebote, epub-Formate in standardkonforme Browser auszuspielen, sind eine Möglichkeit, bereits existierende digitale Produkte einer weiteren Verbreitung zuzuführen.
Ein epub-Pluginspezialist war von Google-Chromes Readium Projekt für epub-im-Browser enttäuscht: Es funktioniert nicht auf mobilen Geräten. Statt auf Google zu warten, hat beneath the ink eine eigene Lösung entwickelt.
Booki.sh baut auf Open Source auf, um den eigenen Katalog auch auf neue Kanäle ausspielen zu können. So richtig responsiv ist das nicht, wie der Screenshot zeigt. Booki.sh selbst ist außerdem kein offenes Ökosystem.
Readk.it bietet ein offenes Ökosystem, mit dem es die epub-Funktionalität erweitert.
Sobooks ist ein Pionierprojekt, Hypertextualität und ebook zu verknüpfen: Es simuliert eine Eigenschaft des epub-Vorbildes (Seitenzahlen), um daran eine Diskussionsebene anzuknüpfen: Bücher als Plattform für sozialen Austausch. Leider ist die Hypertextfunktionalität noch nicht ganz ausgereift.
Relevant für den Deutschen Markt ist bislang die Idee, nicht das Produkt. log.os probiert noch an möglichen Lösungen, ein komplettes, gemeinnützig orientiertes Ökosystem um Vertrieb, social reading, Buchempfehlungen und Leseerfahrung zu bauen. Die Basis wird wohl sein, epubs auf einem Server zu entpacken und den Inhalt nativ auszuspielen.
Texte auf Internetseiten
Nicht immer steht das Prinzip Buch im Vordergrund
Angebote, Literatur nativ im Web zu begegnen, können sich von Forenbeiträgen bis hin zur web-app auf alles erstrecken, was mit dem http
-Protokoll ausgeliefert wird. Häufig lohnt es sich, über den Tellerrand zu schauen, welche buchähnlichen Leseangebote es noch geben kann.
Der Großvater des webbasierten social reading. Vielleicht auch nur einer der ersten Versuche, eine Mischung aus statischen Inhalten und Forum Buch zu nennen.
Andreas von Gunten muss um Lizenzen kämpfen, um Buchtexte ohne Kopierschutz als Internetseite zu veröffentlichen. Nur wenige Verlagstitel sind auch online zugänglich.
Ist das noch Magazin? Das scrollytelling verwischt die Grenzen zwischen langen Magazintexten im Web und Büchern in Browsern.
Plattform ums Buch: Das Kanadische Startup verwandelt die Begegnung mit Literatur zum social network. Ansätze, Literatur als Grundlage für vertikale Integration mit den Kundinnen zu begreifen, gibt es auch um etablierte Marken herum. Bekanntestes Beispiel ist Pottermore
Purismus & Handwerk
Wenn das Prinzip Buch als Qualitätsmerkmal für digitale Leseangebote verstanden wird
Mit HTML lassen sich bezaubernde Leseerfahrungen schaffen. Dazu gehören immer CSS und Javascript. Alle drei Dinge können sich nur in Browsern voll entfalten, die sich an moderne Standards halten. Standards auch einzuhalten ist dankenswerterweise bei den großen Browserherstellern mittlerweile, nun ja, so ziemlich Standard.
HTML5 pur: Das definitive Werk zum Webstandard ist natürlich eine Webseite — mit Buchcharakter und viel Bedacht auf Typografie.
Matthew Butterick hat nicht nur den Standard für Typografie im Netz gesetzt, sondern dafür auch gleich eine eigene Publishingmaschine gebaut: Pollen.
Frank Chimero hat schon früh den Wert von handgeschöpftem Code für Bücher erkannt, und über Crowdfunding sein Buch im Browser vorfinanziert. Veröffentlicht ist es unter Creative-Commons Lizenz.
Atavist fanden für ihre Buchplattform kein tragfähiges Geschäftsmodell und konzentrieren sich nun auf Magazinjournalismus und das zugehörige publishing tool creatavist.
Tom Coleman und Sacha Greif hatten kein Problem, ein Geschäftsmodell für hochwertig gestaltete Fachliteratur zu entwickeln. Ihre Onlinepublikation kann als Fallstudie dienen.
Ganz ohne Finanzierungsmodell kann sich eine Stiftung wie fiktion.cc mit Leseangeboten für Browser beschäftigen
Für Nerds: Open-Source-Versionskontrolle mit angeschlossenem publishing button.
Für den Mainstream hat mit pelicanbooks nun auch einer der großen Publisher ein Imprint für Experimente mit Büchern in nativem HTML gestartet.
Und dann war da noch…
Du guckst drauf. Mit Liebe entworfen von pixelcraftbooks auf der Basis von pxcraft.pub